Die Bibel ist die Grundlage unseres Glaubens und Gottes Weg, uns zu zeigen, wer er ist. Aber warum ist sie manchmal so verwirrend und seltsam? Das liegt daran, dass sie nicht in unserer Zeit und Kultur geschrieben wurde, sondern von Hebräern für Hebräer vor mehr als 2000 Jahren. Nicht nur der Schreibstil ist anders, sondern auch die Werte und Weltanschauungen, was es uns manchmal schwer macht zu verstehen, warum Menschen in der Bibel sich auf eine bestimmte Art und Weise verhalten. Das Verständnis der hebräischen Weltanschauung kann uns einen neuen Zugang zur Heiligen Schrift eröffnen und uns helfen, Dinge zu sehen, die wir bisher nicht gesehen haben.
Wie wir die Welt sehen und was wir schätzen, unterscheidet sich grundlegend von der hebräischen Weltanschauung vor 2000 Jahren.
Die westliche Weltanschauung konzentriert sich auf das Individuum, die hebräische Weltanschauung konzentriert sich auf die Gemeinschaft.
Ein biblisches Beispiel ist die Geschichte von David und Goliath. Viele Menschen im westlichen Kontext identifizieren sich mit David, während die Israeliten sich mit Israel identifiziert hätten. Das verändert die Geschichte, in der es nicht mehr darum geht, dass wir alles überwinden können, wenn wir auf Gott vertrauen, sondern dass Gott derjenige ist, der unsere Kämpfe kämpft und einen Retter bereit stellt.
Die westliche Weltanschauung benutzt Definitionen, Prosa und Listen, um Wahrheit auszudrücken. Die hebräische Weltanschauung verwendet Poesie, Bilder und Symbolik, um Wahrheit auszudrücken.
Menschen im Westen würden Gott als liebevoll, gütig und allwissend beschreiben, während ein Israelit Gott als eine Festung oder eine Glucke beschreiben würde.
Die westliche Weltanschauung schätzt die Form und fragt: Wie sieht es aus? Wie? Die hebräische Weltanschauung schätzt die Funktion und fragt: Was tut es? Warum?
Menschen mit einer westlichen Weltanschauung fragen beim Lesen der Schöpfungsgeschichte oft: Wie sah es aus, als Gott die Menschen erschuf? Wie hat er alles aus dem Nichts erschaffen?
Menschen mit einer hebräischen Weltanschauung fragen: Warum hat Gott die Menschheit erschaffen? Was tut Gott?
Beim Lesen der Bibel fragt die westliche Weltanschauung: Was lehrt mich das über mich selbst? Beim Lesen der Bibel fragt die hebräische Weltanschauung: Was lehrt mich das über Gott?
Menschen mit westlicher Weltanschauung suchen in der Bibel nach Menschen, die ihnen als Vorbild dienen können, um zu lernen, wie sie ein besseres Leben führen können. Menschen mit einer hebräischen Weltanschauung würden danach suchen, wie Gott mit den Menschen umgeht und was sie über ihn lernen können.
Die westliche Weltanschauung will zuerst verstehen, bevor sie glaubt, und versucht, die Existenz Gottes zu beweisen. Die hebräische Weltanschauung glaubt zuerst und versucht, auf der Grundlage dieses Glaubens zu verstehen und geht von der Existenz Gottes aus.
Ein Beispiel für eine solche westliche Weltanschauung sind die griechischen Philosophen, die einen großen Teil unseres westlichen Weltbildes geprägt haben. Sie versuchten, die Welt und alles in ihr zu verstehen. Sie zerlegten sie, bis sie einen philosophischen Ansatz fanden, der für sie Sinn machte und an den sie dann glaubten.
Ein Beispiel für das hebräische Weltbild finden wir in der Bibel. Die Freunde Hiobs glauben so fest an ihr Gottesbild, dass sie nicht versuchen, es zu hinterfragen oder Gott besser zu verstehen. So lassen sie Hiob mit seinem Wunsch nach Gerechtigkeit allein.
Das sind nur einige von vielen Unterschieden. Wenn du also die Bibel liest, denke daran, dass du ein Buch liest, das ursprünglich für eine andere Kultur und Weltanschauung geschrieben wurde und daher deren Fragen beantwortet. Übe dich darin, zu fragen: "Warum?" und "Was lehrt mich das über Gott?".
Bildquelle:
Roberts, J.R. (2013). Biblical Cosmology: The Implications for Bible Translation. Journal of Translation. Retrieved from https://www.semanticscholar.org/paper/Biblical-Cosmology%3A-The-Implications-for-Bible-Roberts/63e1b44d3474477155cf534b3ee4c4f331f3e5f6